Rückblick – Internationale Wochen gegen Rassismus 2019

Mai 17, 2019

Rückblick: Internationale Wochen gegen Rassismus

Es begann mit einem Sturm und endete in einer Spurensuche. Die Rede ist von den internationalen Wochen gegen Rassismus - oder genauer, von den Veranstaltungen des Weltladen Magdeburg / Magletan e.V., die vom 13. bis 21. März im Rahmen dieser Wochen stattfanden. Ich möchte den Blick auf diese Tage richten und Erlebtes Revue passieren lassen:

 

 

 

 

 

 

Eingeleitet haben wir die Woche mit einem ganztägigen Seminar zum Thema Hass im Netz und was mensch dagegen tun kann. Geleitet wurde der Workshop von Detlef und Heike aus Köln. Ein Dutzend Menschen kamen an diesem Tag mit ihren Laptops zusammen um über Begriffe wie „Shitstorm“ oder „Hatespeech“ zu reden und mittels Chat-Simulationen Zivilcourage im Netz zu erproben.  „Lovestorm“ nennt sich die Gruppe um eine jüngst erstellte Website, die es Menschen erleichtern soll, gegen Hass im Netz anzugehen. Ein Teilnehmer des Seminars war Mitentwickler dieser Website und vermittelte uns zusätzlich wertvolle Insider-Informationen. Auf der Lovestorm-Website konnte die Gruppe an einem Training teilnehmen, in dem jede/r in verschiedene Rollen schlüpft und eine Situation vorgegeben wird, die eine Art von Hass zum Ausdruck bringt. Im Chat wude es jeder Person gemäß ihrer Rolle ermöglicht, entweder Hass zu verbreiten, sich für die „gehasste“ Person einzusetzen oder einfach nur zuzuschauen. Am Ende des Tages war die ganze Gruppe tief beeindruckt von dem, was sie gelernt hatte. Alle wussten bereits, wie sie ihr neues Wissen anwenden und verbreiten wollen und konnten es kaum erwarten.

Weiter ging es in der nächsten Woche am Montag den 18.03. mit einem Vortrag über Anti-Asiatischen Rassismus. Weges des eher unterrepräsentierten Themas erwarteten wir keinen großen Andrang und waren überrascht als sich ca. zehn Interessierte im Welthaus einfanden. Obwohl sich Patric als Weißer Mensch darüber bewusst war, dass rassistische Diskriminierung aus seiner Sicht zu beschreiben viel Fingerspitzengefühl erfordert, ist es ihm gut gelungen, indem er viele Videos von betroffenen Personen in seinen Vortrag einfließen ließ. Im Allgemeinen waren die Teilnehmenden überrascht über die vermittelten Inhalte, da sie für die meisten bis dato weitestgehend unbekannt waren. Der Lernerfolg war also immens!

Am Tag darauf ging es weiter mit gleich zwei Veranstaltungen von einem Referenten, Serge Palasie, der ebenfalls aus Köln zu uns gereist ist. „Das Märchen von ethnisch homogenen Nationen – eine lange Geschichte“ nannte sich der Workshop am Nachmittag, dem abends eine Filmvorführung mit anschließender Diskussion folgte. Serge brachte außerdem eine eigens erstellte Ausstellung über den transatlantischen Sklavenhandel mit, die wir für eine Woche bei uns im Welthaus beherbergen durften und die während des Workshops ausgiebig erklärt wurde. Vormittags wie auch abends behandelten wir Themen wie die Entstehung des transatlantischen Sklavenhandels, die Entstehung von Begriffen zur ethnischen Abgrenzung wie „weiß“ und „schwarz“ und im selben Zuge die Entstehung von Rassismus. Die Verbindung von Ausbeutung und Rassismus wurde mehr als einmal herausgestellt. Nachdem der Workshop die Themen inhaltlich behandelt hat ging es bei dem Film „Afro.Deutschland“ und der sich daraus ergebenden Diskussion eher um die Gefühlsebene. Was für Erfahrungen mit Rassismus habt ihr schon gemacht? Wie ist es als Afro-Deutscher in Deutschland zu leben? Und was sind die Vorurteile, mit denen Afro-Deutsche zu kämpfen haben? Zum Film hatten sich ein paar Afro-Deutsche eingefunden, die sich im Anschluss mit Serge über ihre Erfahrungen ausgetauscht haben. Auch als sich die Veranstaltung nach einer Stunde Überziehen aufzulösen schien, wollten manche Menschen noch weiterhin das Gespräch suchen, sodass wir das Welthaus erst am späten Abend verließen - beflügelt von vielen mutigen Diskussionsbeiträgen.

Am Mittwochabend hat meine Kollegin einen Kreativ-Workshop gegeben: „Poesie als Weltsprache“ lautete der geheimnisvolle Titel, hinter dem sich alles verstecken konnte. Ich und einige andere nahmen zum wiederholten Male teil und daher wusste ich schon in etwa welch schöne Dinge mich erwarten würden. Doch der Workshop wurde transformiert und so war ich positiv überrascht, denn auch dieses Mal war es, wenn auch anders, ein wunderschöner Abend mit tollen Menschen und Worten. Die Gruppe bestand aus ganz unterschiedlichen Menschen, die sich unterschiedlich eingebracht haben. Der Austausch ist ein wichtiger Bestandteil des Workshops und ich war beeindruckt davon, was er alles bewirken kann. Gegenseitig haben wir uns ermutigt, bereichert und unsere Texte bearbeitet.Als letzte Übung haben wir eine Gemeinschaftsübung gemacht, bei der jede/r ein paar Worte schreibt und diese dann weitergibt. Die nächste Person schreibt mit diesen Worten eine Geschichte und wiederum die nächste Person verändert ein paar Worte in der Geschichte. So entsteht am Ende für jede/n ein gemeinsames Stück Schreibarbeit. Dass einige Personen die Chance genutzt haben ein zweites Mal den Workshop zu besuchen spricht für sich. Das Format, die Durchführung, die Atmosphäre waren wieder einmal wunderbar und beflügelnd. Danke, Rudii!

Unser letzter Veranstaltungsbeitrag im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus am 21.03., war der Stadtrundgang „Spuren des Kolonialismus in Magdeburg“. An einem sonnigen Donnerstagnachmittag trafen sich eine Gruppe Menschen am Magdeburger Dom, um gemeinsam auf eine Spurensuche zu gehen. Angeleitet von Assion und Lena aus dem Weltladen-Team liefen wir verschiedene Stationen an, die als Überreste der Kolonialzeit bezeichnet werden können. Im Dom sind beispielsweise mehrere Abbildungen des heiligen Mauritius zu finden, er gilt als Märtyrer und Heiliger der katholischen Kirche, war ein afrikanisch-stämmiger Mensch und wurde im Nachhinein im Dom als Weißer Mensch dargestellt. Nur eine Statue zeigt sein „wahres Gesicht“. Manche Vorurteile müssen bewusst aufgedeckt werden! Daher erhielten wir von den beiden Teamenden wertvolle Hinweise auf Orte, die auf den ersten Blick nichts mit Kolonialismus zu tun haben. Die Spurensuche gipfelte in einem Besuch beim EDEKA (früher „EdK“ als Abkürzung für „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler"), wo wir selbst nach Waren suchten, die einen Bezug zur Kolonialzeit aufweisen. Rassismus zeigt sich nämlich auch auf Warenetiketten, wie die Tütensoße „Zigeuner-Art“ deutlich zeigt. Der Redebedarf war dementsprechend groß. Immer wieder verfingen wir uns in Diskussionen über Rassismus heute, Kolonialismus damals und die Zusammenhänge, die man ziehen kann oder nicht ziehen kann. Auch wenn manche Beiträge wenig bereichernd waren, so ist es doch wichtig Raum für Diskussionen zu lassen und zum Ende hin wurde der Diskurs gemäßigter. Vielleicht wegen der neu gewonnenen Informationen, vielleicht weil Spazieren und Diskutieren Kraft kostet. Nach zweieinhalb Stunden war die Gruppe jedenfalls erschöpft und glücklich und damit endeten für mich die internationalen Wochen gegen Rassismus. /al