AKTUELLES

AKTUELLES

26.08.2019

Schulung: Methoden für das Globale Schulkino

01.07.2019

Rückblick

17.05.2019

Rückblick – Internationale Wochen gegen Rassismus 2019

05.03.2019

Unsere Veranstaltungen im März

04.03.2019

Rückblick: Projektwoche Flucht und Asyl an der Evangelischen Sekundarschule Haldensleben

Rückblick über das Bildungsangebot “ProAsyl”

 

Bekommen Flüchtlinge eigentlich wirklich 1000 Euro im Monat? Und woher haben sie ihre schicken Handys und die Markenklamotten? Wie viele Menschen sind weltweit auf der Flucht und wohin sind sie geflüchtet? Bestimmt alle nach Europa – oder? Fragen über Fragen. Die Antworten sind nicht immer leicht zu finden bei all dem Halbwissen, was in der Welt herum geistert. Im Februar begann mein Praktikum beim Weltladen Magdeburg / Magletan e.V. und ich durfte in den ersten Tagen an einer Projektwoche zu den Themen Flucht, Asyl und Migration an der Evangelischen Sekundarschule Haldensleben teilnehmen. Dort bekam ich viele Antworten.

Verschiedene Mitarbeitende vom Weltladen haben in Tandem-Teams, bei denen immer einer der Personen eine Flucht/Migrationsgeschichte hat, mit Lehrpersonal, Schülerinnen und Schülern vom 11. bis 15. Februar Projekte zu besagten Themen durchgeführt. Dabei haben sie verschiedene Methoden genutzt und eine Menge Sozialkompetenz an den Tag gelegt. Denn es ist nicht einfach über Themen wie die sogenannte „Flüchtlingskrise” zu sprechen.

 

Die Projektwoche begann mit einem Seminar für die Lehrerinnen und Lehrer, in dem das Konzept und die Methode vorgestellt wurde. Dies diente zur Veranschaulichung, was die Schüler die Woche über erwarte. In einer spielerischen Form mit einigen Ergänzungen wurde das Projekt dann an den folgenden Tagen für die siebten bis zehnten Schulklassen durchgeführt. Zusätzlich wurde allen Teilnehmern die ganze Woche über eine Ausstellung von ProAsyl mit dem Titel „Asyl ist Menschenrecht“ frei zugänglich gemacht. Ich selbst war am ersten Tag beim Lehrer-Seminar und am vierten Tag mit den beiden neunten Klassen als Hospitantin dabei und möchte meine Eindrücke mit euch teilen.

 

 

Die Themen Flucht, Migration, Asylpolitik und alles was dazu gehört haben mich schon vorher beschäftigt und ich habe mich bereits mit vielen Meinungen und Fakten auseinandergesetzt. Das habe ich nicht nur aus eigener Kraft heraus gemacht, sondern wurde durch mein Umfeld dazu angeregt. Jede Person bezieht unterschiedliche Informationen aus einer Vielzahl an verlässlichen und weniger verlässlichen Quellen. Daher finde ich es wichtig, dass Menschen – insbesondere Kinder und junge Erwachsene – nicht nur auf sich allein gestellt nach Informationen suchen. Im Internet z.B. findest du widersprüchliche oder falsche Informationen und Meinungen, die fälschlicherweise als Fakten präsentiert oder interpretiert werden. Die Projekttage haben mir und anderen, auf eine Art und Weise, viele neue und verlässliche Informationen zuteilwerden lassen, die sehr einprägsam ist. Die angewandten Methoden erforderten nicht nur visuelle und auditive Aufmerksamkeit, sie erforderten ein Mitdenken und Mitmachen. Eine Übung gestaltete sich folgendermaßen: Auf einer großen Weltkarte sollten anteilig zu jedem Kontinent nacheinander jeweils die Bevölkerungszahl, die Wirtschaftskraft und die Anzahl an sich dort aufhaltenden Geflüchteten geschätzt und zugeordnet werden. Hierfür wurden Klötzchen, Geldscheine und Pappkarten auf den Kontinenten verteilt, um die Verhältnisse anschaulich darzustellen.

 

Anschließend erfolgte eine Auswertung und Korrektur der Ergebnisse mit einigen Überraschungen. Denn die meisten Geflüchteten halten sich nach wie vor im Heimatland auf, nur wenigen gelingt die Flucht nach Europa. Aus diesen Antworten ergeben sich wichtige Fragen: Warum denken wir, dass so viele Geflüchtete in Europa sind? Die Schülerinnen und Schüler hatten darauf gute Antworten: „Weil wir hier in Deutschland leben und sie sehen. Die in Asien sehen wir ja nicht!“ oder „Weil manche Leute sagen, hier wären schon so viele Flüchtlinge.“ Sie haben ein hohes Maß an Selbstreflexion gezeigt und manche haben nicht nur einen Perspektivenwechsel vollzogen, sondern auch ihre Vorurteile reflektiert oder ihre Meinung geändert. So haben wir uns an einem Tag von faktenbasierten Inputs über Perspektivenwechsel bis hin zum Austausch persönlicher Erfahrungen durch die Themenlandschaft bewegt und einige Denkanstöße gegeben und bekommen. Ziel war es dabei nie, Meinungen zu schaffen oder zu ändern. Aber Menschen dazu anzuregen, sich mit einem Thema eingehend zu beschäftigen und sich dann anhand umfassender Informationen eine eigene Meinung zu bilden. Wir können dabei helfen, Motivation zu schaffen und den Zugang zu verlässlichen Quellen und Informationen erleichtern. Am Ende eines jeden Tages erfolgte ein persönliches Gespräch mit einem Menschen mit Migrationshintergrund und/oder Fluchtgeschichte. Viele Kinder waren sehr beeindruckt von der Offenheit, die ihnen entgegengebracht wurde und mit der ihre Fragen beantwortet wurden. Eine Aussage ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Sie stammt von einem Teamer aus dem westafrikanischen Land Niger, der schon seit einigen Jahren in Deutschland lebt und zurzeit in Magdeburg wohnt. Er antwortete auf die Frage, ob er Probleme mit Rassismus habe: „Ja, jeden Tag. Jeden Tag werde ich auf der Straße beleidigt.“ Danach herrschte einen Moment Stille im Raum. Die Vorstellung davon, jeden Tag diskriminiert zu werden ist schrecklich und für einen deutschen Menschen in Deutschland nur eine Vorstellung. Für andere ist es bittere Realität und Alltag. Sich dessen bewusst zu werden ist vielleicht schmerzhaft, aber wichtig für den Kampf gegen Rassismus!

 

 

Genau diese Art von Ehrlichkeit und Offenheit hat nicht nur die Schüler und Schülerinnen beeindruckt. Ich habe große Achtung vor Menschen, die nicht nur schöne Dinge von sich preisgeben, sondern eben auch die weniger schönen Dinge, denn das kostet manchmal viel Überwindung. Schlechte Erfahrungen mit anderen zu teilen kann auch für die Person, die sie preisgibt, hilfreich sein. So hat eben jener Teamer am Ende des Tages in die Runde gesagt, dass für ihn so ein Projekttag, so ein offenes Gespräch mit den Schüler*innen, wie eine Art Therapie sei. Gemeinsam können wir uns gegenseitig darin bestärken, rassistischen Anfeindungen keine moralische Bedeutung beizumessen und ihnen etwas entgegenzustellen! Auch das Feedback der Schüler*innen ist am Ende des Tages positiv ausgefallen. Viele sprachen davon, dass sie etwas gelernt haben und lobten die abwechslungsreiche Gestaltung des Projekttags. Die Lehrerinnen, die bei ihren Klassen zugeschaut hatten, lobten ihre Schüler*innen für ihre Geduld, Aufmerksamkeit und fürs Mitdenken und Mitarbeiten. Und auch den Teamern gebührt ein großes Lob für die Umsetzung dieser Projekttage. Es erfordert ein gewisses Maß an Geduld und Ruhe, um brisante Themen in geregelte Strukturen zu bringen und Diskussionen nicht ausarten zu lassen. Dies haben sie jedoch geschafft, bei Erwachsenen und Kindern. Ich denke, dass jeder Mensch in dieser Schule, der etwas von der Projektwoche miterlebt hat – ob einen ganzen Tag oder nur einen Blick auf die Ausstellung – einen Denkanstoß bekommen hat. Bei manchen wurde mehr angestoßen, bei manchen weniger. Aber an niemandem ist die Projektwoche spurlos vorbeigegangen. Und jede noch so kleine Veränderung im Denken ist immerhin schon eine Veränderung. Manchmal sind wir uns dessen nicht bewusst, vielleicht merken wir erst Jahre später, dass ein Tag im Leben, ein Moment, im Nachhinein doch etwas zum Verständnis der Welt beigetragen hat und dass ein vergangenes Erlebnis die Gegenwart beeinflusst oder sogar die Zukunft. /al